Fachartikel
Pflastertherapie
Pflastertherapie
Nicht von gestern!
Häufig werden wir als Orthoptistin in der Augenarztpraxis gefragt, ob denn die von uns bei einer Amblyopie vorgeschlagene Pflastertherapie nicht schon längst überholt sei.
Nein, im Rahmen der Behandlung einer funktionell bedingten Minderung der Sehschärfe, der so genannten Amblyopie, steht die Abklebe- oder Okklusionstherapie, vor allem der lichtdichte Verschluss eines Auges, immer noch an erster Stelle. Der Grund: Sie ist die effektivste Methode der Therapie.
Ein Auge wird abgeklebt.
Die Okklusionstherapie wird bei Amblyopien verschiedenster Ursachen eingesetzt. Häufig sind ein- oder beidseitige höhere Brechkraftfehler (Fehlsichtigkeiten) oder Schielen die Ursache für eine nicht ausreichende Entwicklung der Sehschärfe (Visus) eines Auges oder sogar beider Augen. Durch das Abkleben des besseren Auges wird das Gehirn gezwungen, die Sehschärfenentwicklung des sehschwächeren Auges nachzuholen. Die Abklebedauer richtet sich dabei nach der Schwere der Visusminderung und nach dem Alter des Kindes.
Häufig müssen die Kinder zu Beginn der Therapie ihr besseres Auge so viele Tage abdecken, wie sie in Jahren alt sind. Dies wechselt dann eventuell mit dem Abdecken des sehschwachen Auges für einen Tag und/oder dem Freilassen beider Augen für einen Tag ab. Der Rhythmus wird je nach Befund individuell angepasst - in einigen Fällen reicht eine stundenweise Okklusion (Teilzeitokklusion) - und muss meist bis zum Erreichen einer seitengleichen Sehschärfe beibehalten werden. Dies gilt nicht nur für die Sehschärfe in der Ferne, sondern auch für die Lesesehschärfe, die nur mithilfe eines speziell dafür entwickelten Tests ermittelt werden kann, des C-Tests nach Haase/Hohmann.
Dieser Test, der noch im leseunkundigen Lebensalter durchgeführt werden kann, hat seine diagnostische Bedeutung darin, dass er so genannte Trennschwierigkeiten, ein Charakteristikum der Amblyopie, aufdeckt. Trennschwierigkeiten bedeuten, dass eng beieinander stehende Symbole nicht getrennt gesehen werden können, zum Beispiel die Buchstaben eines Wortes in einem Lesetext. Diese Konturenbeeinflussung führt zu einer Herabsetzung der Sehschärfe.
Dass viele Kinder sich anfänglich gegen diese Therapie sträuben, ist verständlich. So müsste zum Beispiel ein fünfjähriges Kind fünf Tage das bessere Auge verschließen, im Wechsel mit einem Tag Pflaster für das sehschwächere Auge und nur einem freien Tag in der Woche für beide Augen.
Das Kind muss mitmachen.
Um den Kindern die Therapie so wenig medizinisch und stattdessen so reizvoll wie möglich zu gestalten, haben sich die Hersteller der Augenpflaster einiges einfallen lassen. Heute gibt es Klebebilder zu den Pflastern, bunte Pflaster und neuerdings sogar Pflaster für Girls und Boys. Die Augenpflaster sind also auch nicht von gestern!
Unterstützt wird diese Therapie oft mit kleinen Büchlein oder anderen Materialien für die Kinder, die die Hersteller der Pflaster zur Verfügung stellen und die Sie von ihrer Orthoptistin bekommen können. Meist enthalten diese Bücher auch wertvolle und interessante Informationen für die Eltern. Wenn alles nicht hilft und die Kinder die Therapie nicht akzeptieren, kann zuweilen ein kleiner Trick mit einem Bonussystem versucht werden. Jedes Kind hat Wünsche, für deren Erfüllung es vielleicht bereit ist, diese etwas unangenehme, aber notwendige Abklebe-Situation durchzustehen.
Machen Sie mit ihrem Kind gemeinsam einen Wunschzettel und lassen Sie es für jeden Tag guten Abklebens Punkte sammeln, um die Punkte dann gegen einen Wunsch eintauschen zu können. So schaffen Sie einen positiven Anreiz und können Ihr Kind für die Therapie motivieren.
Sollten die Augenpflaster aufgrund von erhöhter Hautempfindlichkeit gar nicht vertragen werden, so gibt auch hier Alternativen. Ein Luxeye zum Beispiel. Dies ist eine Abdeckkappe, die auf die Brille montiert werden kann und relativ dicht am Kopf abschließt, um den Lichteinfall auf dem besseren Auge bestmöglich auszuschließen. Das Luxeye kann von der Orthoptistin angemessen und vom Augenarzt verordnet werden.
Regelmäßige Kontrolle ist nötig.
Wichtig während der Therapie sind regelmäßige orthoptische Untersuchungen, damit die weitere Entwicklung der Sehschärfe kontrolliert werden kann. Wie lange es dauert, bis die volle Sehschärfe erreicht wird, und ob sie erreicht wird, ist sehr unterschiedlich und kann nicht vorher gesagt werden. Dies ist von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Ganz allgemein gilt jedoch: Je früher die Sehschwäche erkannt wird und je konsequenter die Therapie durchgeführt wird, um so schneller kann ein Erfolg bzw. die Heilung der Amblyopie erzielt werden. Insbesondere die frühe Erkennung von Sehstörungen ist sehr wichtig, da die Entwicklung der Sehfunktion im wesentlichen in den ersten vier bis sechs Lebensjahren stattfindet. So wie das Kind viele andere Sachen erlernt, erlernt es in dieser Zeit das Sehen. Wird dieser Lernprozess gestört, kann keine normale Entwicklung des Sehens stattfinden. Sie kann später auch nicht nachgeholt werden. Eine sichere Früherkennung solcher Störungen wird in Augenarztpraxen mit Orthoptistin angeboten. Die Orthoptistin verfügt unter anderem über spezielle Kenntnisse der Früherkennung und Behandlung von Schielen und Sehschwächen bei Kindern. Nachdem das gewünschte Ziel einer vollen Sehschärfe für Ferne und Nähe erreicht worden ist, sollte dem erneuten Absinken der Sehschärfe vorgebeugt werden. Dies erfolgt durch eine langsame Reduzierung der Okklusionszeit, alternativ kann in einigen Fällen eine Folie auf der Brille eingesetzt werden. Nach Abschluss der Okklusionsbehandlung ist eine anhaltende und regelmäßige orthoptische Kontrolle bis zum 12.-14. Lebensjahr erforderlich, da die Sehschärfe bis dahin nicht sicher stabil ist.
© Elke van Alen, Dagmar Verlohr
Weitere Informationen beim Berufsverband der Orthoptistinnen Deutschlands e.V. (BOD)
Josephsplatz 20
90403 Nürnberg
Tel. 0911/22 001
Fax 0911/20 59 612
E-Mail: bod.orthoptistinnen@gmx.de
Internet: www.orthoptistinnen.de